Immer JA sagen!
Weil gerade Frauen dieses Thema sehr beschäftigt, weil sie am Ende das Gefühl haben, alles alleine machen zu müssen und alles bleibt an ihnen hängen und sie kommen nicht dazu, sich Zeit für sich zu nehmen. Dieser Druck, der auf uns Frauen oft lastet ist, unserer Meinung nach, sehr viel selbst gemacht. Das ist oft nicht der Ehemann oder der Chef oder die Chefin, die so einen Druck macht und erwartet das alles perfekt ist, zu Hause, bei den Kindern, in der Arbeit und lächelt und gut aussieht und das richtige isst. Das ist ja wahnsinnig umfassend, was wir Frauen alles hinkriegen und wo wir es schaffen uns Druck aufzubauen. Wir machen das wirklich selber und oft ist wirklich das entscheidende, dass man sich überlegt, dass man selber auch andere Wege gehen kann. Man kann nicht in allem perfekt sein.

Interview mit Anke Helle und Mateja Mögel, Chefredakteurinnen des Frauenmagazins Freundin

Daniela Kreissig: Herzlich willkommen liebe Mateja und liebe Anke! Schön, dass ihr da seid. Gleich mal die erste Frage, wie ist das zu zweit sich eine Position zu teilen?

Anke Helle: Ganz kurz gesagt phantastisch. Wir machen das jetzt seit einem Jahr und könnten, glaube ich, beide nicht glücklicher sein, dass wir das zusammen machen dürfen. Weil wir finden, dass wir viele Dinge besser machen können, weil wir uns absprechen, weil wir uns austauschen, weil wir uns gegenseitig weiter bringen und aber natürlich auch, weil wir uns gegenseitig entlasten können, in Momenten, in denen wir sehr viel um die Ohren haben. Und dafür ist das Jahr 2020 ein sehr gutes Beispiel. Wir haben beide Kinder und haben beide gelernt aus dem Home Office komplett zu arbeiten und da war das wichtiger denn je, dass wir zu zweit sind.

Mateja Mögel: Und gleichzeitig ist die Tatsache, dass wir als Team arbeiten, das zeigt genau, wie wir auch mit dem Rest unseres Teams arbeiten wollen. Deshalb ist es eigentlich perfekt, weil wir wirklich intrinsisch schon aus der Sache heraus zeigen, das ist die Art wie wir arbeiten wollen. Wir wollen gar nicht von oben herab eine One Men Entscheidung, eine One Woman Entscheidung und alle anderen sollen umsetzen. Sondern die Art des Arbeitens ist schon eine Diskussion, ist ein Teamwork, ist ein, jeder denkt mit und alles wird noch mal hinterfragt. Das macht es natürlich nicht einfacher oder nicht linearer, sag ich mal, aber es ist aber genau das, was wir wollen.
Wir wollen wirklich Eigenverantwortung, mitdenken und ein miteinander austauschen. Wir wollen Dinge hinterfragen und das funktioniert großartig, wenn wir schon damit von oben, also von oberster Stelle quasi, beginnen.

 

Viele Frauen haben 70% vereinbart, arbeiten 100% und bekommen 30% weniger Gehalt

 

Daniela Kreissig: Wie muss ich mir das zeitlich vorstellen, habt ihr jeder eine 20 Stunden Stelle? Arbeitet der eine bis Mittwoch Vormittag und der andere macht Mittwoch Nachmittag weiter?

Mateja Mögel: Wir arbeiten beide Vollzeit. Es ist auch nicht das teilen einer Stelle, sondern wir sind beide zusammen die Chefredaktion von der Freundin. Und uns ist aber sehr wichtig, dass wir flexibel arbeiten. Wir arbeiten beide wirklich sehr viel, wir arbeiten deutlich mehr als 40 Stunden die Woche. Aber wenn Anke um 15:00 Uhr das Kind abholen möchte, dann geht sie um drei. Und wenn ich um vier meine zum Fußball fahre, dann geh ich. Und dafür sitzen wir dann am Abend wieder dran. Der Ausgleich ist auf jeden Fall gegeben, aber uns ist sehr wichtig dass wir die Flexibilität haben, Vollzeit arbeiten zu können und diesen herausfordernden Job hinzukriegen und gleichzeitig aber auch unsere Familie sehen zu können. Das ist super wichtig, dass wir beide uns genau dann haben. Das alles ist aber sehr unstarr. Also ist es jetzt nicht so, das Anke wirklich Montags und Mittwochs um 15:00 Uhr geht und ich Dienstags und Donnerstags, sondern gerade in diesen Zeiten wie jetzt, wo man sich jeden Tag quasi neu erfindet, ist das sehr hilfreich.

Anke Helle: Also wir hatten damals tatsächlich überlegt, ob wir beide weniger arbeiten sollen, aber am Ende ist aber der Job einfach der Job. Und das ist etwas was vielen Frauen tatsächlich passiert, dass sie 70% Arbeitszeit vereinbart haben, aber 100 % arbeiten und 30 % weniger Gehalt kriegen. Wir hatten keine Illusion wie anstrengend und fordernd dieser Job sein würde und wie viel Zeit er von uns fordert, auch am Wochenende oder wenn wir im Urlaub sind. Und wir haben uns entschieden und gesagt, dass wir das in Vollzeit machen wollen, aber mit der nötigen Flexibilität, das wir das mit der Familie vereinbaren können.

Und dann war langsam wirklich der Traum da

Daniela Kreissig: Wolltet ihr beide schon als Kinder Redakteurin werden?

Anke Helle: Also bei mir tatsächlich, ja. Zwar nicht ganz als Kind, aber als Jugendliche. Ich war mit 12/13 Jahren ganz großer Kelly Family Fan. Und hatte damals, in kindlicher Naivität überlegt, wie komme ich auf das Hausboot. Und hab dann überlegt, dass die einzige, die da drauf darf, ist die BRAVO Reporterin. Also muss ich jetzt BRAVO Reporterin werden. Und bin dann mit 13/14 Jahren zu meiner regionalen Tageszeitung zu Hause gelaufen, das war der Reutlinger General Anzeiger und hab denen gesagt, dass ich gerne für sie arbeiten würde. Weil irgendwo muss ich ja anfangen. Dann haben die mir jungen Mädchen tatsächlich erlaubt, relativ schnell, dort zu arbeiten. Die haben mich dann wirklich vom Hasenzüchterverein über den 90. Geburtstag alles mal machen lassen. Und dann war langsam wirklich der Traum da. Also ich habe ab dieser Zeit wirklich daraufhin gearbeitet Journalistin zu werden. Aber letztlich kam es wirklich aus dieser Naivität heraus, dass ich mal die Kelly Family interviewen wollte. Mateja hatte letzten Endes wirklich den Traumjob, da sie die ganzen Stars interviewen durfte. Da kannten wir uns aber noch lange nicht.

Mateja Mögel: Lustig, ich habe das tatsächlich dann gemacht, die ganzen Stars interviewt, wovon du die ganze Zeit geträumt hast, aber ohne dass ich davon geträumt hätte. Bei mir war es tatsächlich der Wunsch „etwas mit Medien machen“. Und dann stand ich bei meinen Eltern im Restaurant und da gab es die Stuttgarter Zeitung und da war eine einseitige Anzeige von einem Verlag damals und die Anzeige sah sehr frisch aus. Die hat mich wirklich gecatcht in diesem Umfeld der Anzeigen, weil die so viel klarer, moderner und jünger gestaltet war. Und die hab ich gesehen und sie suchten einfach Praktikanten. Daraufhin habe ich mich dort beworben und bin auch relativ lange dort geblieben. Ich hab dann bei denen auch eine Ausbildung gemacht und bin dort in die Schiene Musikjournalismus für junge Leute reingekommen. Musik war eh schon immer sehr, sehr wichtig für mich. Und darüber bin ich dann bei Top of the Pops gelandet, was genau das war, was Anke eben gesagt hat, das ich damals sehr berühmte Leute interviewen und sehr viele Musiker treffen durfte.

Daniela Kreissig: Hat einer von euch beiden die Kellys inzwischen interviewt ?

Anke Helle: Ich hab sie mit 22 tatsächlich interviewt. Ich habe dann mein Abitur gemacht und in Dresden studiert und habe dort beim Spiesser angefangen zu arbeiten. Das war eine Jugendzeitschrift, die in Sachsen damals angefangen hat und dort habe ich als freie Redakteurin gearbeitet und da kam das Angebot die Kelly Family zu interviewen. Das heißt mit 22 saß ich dann tatsächlich sehr aufgeregt (immer noch, auch wenn ich lange kein Fan mehr war) in Berlin an der Wuhlheide. Ich werde das nie vergessen. Also der Traum ging auf jeden Fall in Erfüllung.

 

Das ist ja nichts, worauf man sich bewirbt

 

Daniela Kreissig: Wie kam dann dazu, dass ihr zusammen bei der Zeitschrift Freundin gelandet seid?

Anke Helle: Also da war dazwischen eigentlich so ein Riesen Schritt passiert. Mateja ist von Berlin nach München gezogen und ich hab dann angefangen bei der Burda Journalistenschule eine Ausbildung zu machen. Dann war ich lange in Hamburg und München beim Gruner&Jahr Verlag und habe für Neon und Nido gearbeitet. Und dann haben wir uns irgendwann bei Burda, bei der Entwicklung von Heften, kennengelernt. Das ist aber auch schon fünf Jahre her. Da war ich gerade schwanger und wir haben zusammen Food- und Frauenmagazine entwickelt.
Und dann, vor etwa anderthalb Jahren, wurde eine Chefredaktion für die Freundin gesucht und wir wurden angesprochen. Das ist ja nichts worauf man sich bewirbt, sondern wir wurden gefragt, ob wir uns das vorstellen können.
Und uns war beiden klar, wir wollen das nicht alleine machen, weil es ist ein 14-tägiges Frauenmagazin. Das ist wirklich eine Mühle, das hört niemals auf, weil du musst die ganze Zeit ein Heft machen. Und wir hatten uns beide in sehr guter Erinnerung von der Zusammenarbeit und so hat sich das bei uns beiden perfekt gefügt. Ich habe neulich schon zu Mateja gesagt, dass ich ja eigentlich nicht so an Schicksal glaube, aber es doch Schicksal sein muss, das es genau so bei uns beiden gepasst hat, dass wir das zusammen machen.

Mateja Mögel: Das war ein Moment, wo ich auch sofort gedacht habe, ja. Also natürlich denkst du, das ist eine riesengroße Verantwortung, das ist eine riesige Herausforderung, weil es ist mit die größte Marke in Deutschland, in diesem Bereich. Jeder kennt die Freundin, egal, ob du einen Handwerker im Haus hast und natürlich die Mütter, die Omas. Diese Marke ist älter als die Bundesrepublik. Und als ich das dann gehört habe und es aufkam, ob ich das mit der Anke zusammen möchte, da hab ich sofort gedacht: „Ja,auf jeden Fall.“
Weil wir uns so gut ergänzen und sehr gut miteinander arbeiten können. Das weiß ich jetzt natürlich noch besser als damals, aber es hat sich auch damals schon richtig angefühlt.
Weil ich sehr großen Respekt habe vor Anke, weil sie eine wahnsinnig gute Journalistin ist und wir aber auch auf der menschlichen Ebene sehr gut zusammenarbeiten konnten. Und deshalb war das sofort klar, dass das wahrscheinlich gut funktionieren wird.

Anke Helle: Und dazu kam noch, dass uns dieser Vorbildcharakter total wichtig ist. Wir haben schon eine tolle Möglichkeit, die in dieser Position ja doch sichtbarer ist, als manche andere Position. Zu sagen, wir machen das als zwei Mütter zusammen. Wir wollen damit zeigen, dass Karriere und Familie zu vereinbaren ist, wenn man die richtigen Rahmenbedingungen dafür gibt. Wir wollen damit für modernes arbeiten stehen, für Frauen, die sich gegenseitig unterstützen. Und das war der zweite Punkt, der uns beide gefesselt hat und deswegen haben wir gedacht, dass wir das machen müssen. Dafür wollen wir stehen und darüber wollen wir reden.
Und das ist auch das was für uns so wichtig ist und darum geben wir auch gern Interviews. Nicht weil wir uns selbst so wichtig nehmen, sondern weil wir finden, dass ist eine gute Sache und viel mehr Unternehmen sollten mutig sein und so was erlauben und zulassen und solchen Konstellationen vertrauen.

 

Ich hab mich richtig drauf gefreut, wieder was Neues zu machen

 

Daniela Kreissig: Hattet ihr irgendwo Zweifel und wenn ja, welche?

Mateja Mögel: Also bei mir, muss ich sagen, Zweifel gab es wirklich nicht. Ich glaube, ich bin irgendwie ein Mensch der daran glaubt, dass wenn du alles gibst und wenn du mit Engagement und Willen und mit einem gewissen Grundtalent an die Sachen heran gehst, sag ich jetzt mal, dann kannst du wirklich sehr viel erreichen. Also ich glaube sehr an mich in dem Sinne, dass ich immer sehr viel gearbeitet habe und auch immer sehr gern gearbeitet habe. Und ich glaube, dass ist auch eine wichtige Grundvoraussetzung um erfolgreich zu sein. Wenn du das, was du tust, wirklich gerne machst, dann ist es schon die halbe Miete. Und ich hatte wirklich keine Zweifel, sondern eine gesunde Neugier. Ich hab mich richtig drauf gefreut, wieder was Neues zu machen und wir sind auch beide so, das wir nie ein und den gleichen Job 20 Jahre machen würden und das aussitzen. Die Lust am Neuen zu entdecken, etwas prägen und gestalten zu können, war das was überwiegt hat.

Anke Helle: Also ich hatte durchaus Zweifel, das liegt aber vielleicht auch daran, dass mein Sohn erst vier Jahre alt ist bzw. war er letztes Jahr erst drei und Matejas Kinder sind schon größer. Sie sind jetzt neun und zwölf Jahre. Das heißt, ich weiß, wenn bei mir der Kindergarten anruft, dann muss ich springen und dann ist es auch nicht so, das ich zu ihm sagen kann, dann lies jetzt mal 2 Stunden bitte, sondern dann bin ich wirklich gefragt. Das war also schon ein Thema für mich, wo ich mich gefragt hab: “Bekomme ich das hin? Kann ich meinem Kind noch gerecht werden?“
Ich war ja zu dieser Zeit selbstständig und hatte mir gerade nach zwei Jahren Selbstständigkeit ein wirklich gutes Projektbasiertes arbeiten, das komplett flexibel war, aufgebaut. Ich konnte selbst entscheiden, wann ich meine Urlaubstage nehme, ich konnte komplett meine Zeit so einteilen, wie ich es brauchte.
Was aber natürlich dazu geführt hat, dass ich viel am Wochenende gearbeitet habe und wahrscheinlich ähnlich viel gearbeitet habe, wie jetzt, aber ich war nicht in irgendwelchen Strukturen eingebunden. Sondern, wenn ich gesagt habe, ich sage dieses Projekt ab, weil das passt mir gerade nicht, dann habe ich dieses Projekt abgesagt und dann war das ok. Und dieser Schritt von mir wieder hinein in einen Konzern und in einen Verlag und in diese großen mächtigen Strukturen, der fiel mir tatsächlich sehr schwer. Weil ich meine Freiheit und mein freies Arbeiten sehr genossen habe.

Daniela Kreissig: Was war letztlich für dich der Punkt, wo du entschieden hast, dass du deine Selbstständigkeit aufgibst und das Neue dir jetzt wichtiger ist?

Anke Helle: Das war Mateja. Es ist tatsächlich der Punkt, warum ich es gemacht habe. Ich hätte das mit keinem anderen gemacht. Weil ich wusste, ich hab jemanden an meiner Seite, die so denkt wie ich, die so tickt wie ich, die für das Gleiche steht wie ich und wo ich weiß, wenn ich sag, ich kann nicht mehr, dann haut sie den Rest voll weg. Wir hatten letztes Jahr die Situation, dass mein Sohn sich die Vorderzähne ausgeschlagen hat und um 10:00 Uhr morgens kam der Anruf vom Kindergarten. Da hab ich Mateja eine WhatsApp geschrieben, noch auf dem Fahrrad und hab ihr geschrieben, dass mein Sohn sich die Vorderzähne ausgeschlagen hat und ich jetzt weg bin.
Und dann kam nur zurück:“Okay, ich bin da.“ Und dann habe ich mich den ganzen Tag erst mal nicht mehr gemeldet, weil ich von einem Krankenhaus zum nächsten gefahren bin und so weiter. Und ich wusste einfach, das läuft trotzdem im Büro.
Und das ist einfach ein wahnsinnig gutes Gefühl.

 

Wie soll ich alles unter einen Hut bringen?

 

Daniela Kreissig: Ich habe mal unter meinen Newsletterabonnenten eine Umfrage gemacht, was deren größte Herausforderung derzeit ist. Die häufigste Antwort war, nicht zu wissen, wie ich alles unter einen Hut bringen soll. Also Familie, Job und noch Zeit für mich selbst. Wie macht ihr das? Habt ihr Rituale oder Techniken? Taucht ihr mal drei Tage ab oder was ist euer Vorgehen?

Mateja Mögel: Das Thema ist tatsächlich ein sehr großes. Wir haben das sogar aktuell in der kommenden Ausgabe als sehr großes Thema unter dem Titel „Endlich abschalten“.
Weil gerade Frauen dieses Thema sehr beschäftigt, weil sie am Ende das Gefühl haben, alles alleine machen zu müssen und alles bleibt an ihnen hängen und sie kommen nicht dazu, sich Zeit für sich zu nehmen. Dieser Druck, der auf uns Frauen oft lastet ist, unserer Meinung nach, sehr viel selbst gemacht. Das ist oft nicht der Ehemann oder der Chef oder die Chefin, die so einen Druck macht und erwartet das alles perfekt ist, zu Hause, bei den Kindern, in der Arbeit und lächelt und gut aussieht und das richtige isst. Das ist ja wahnsinnig umfassend, was wir Frauen alles hinkriegen und wo wir es schaffen uns Druck aufzubauen. Wir machen das wirklich selber und oft ist wirklich das entscheidende, dass man sich überlegt, dass man selber auch andere Wege gehen kann. Man kann nicht in allem perfekt sein. Man kann nicht versuchen 40 Stunden zu arbeiten und gleichzeitig 40 Stunden mit den Kindern zu verbringen. Und dazu noch gut zu essen und gut auszusehen. Ich glaube, das man für sich selber entscheiden muss, welchen dieser Dinge man mal nicht gerecht wird und das auch völlig okay finden darf.
Bei mir ist es dann halt die Frisur. Sie ist eben wie sie ist und wenn es jemanden stört, dann muss man aber die Kraft haben, zu sagen, ich steh da drüber. Ich glaube, jeder muss für sich herausfinden, was sind wirklich meine Werte im Leben. Und wenn dann die Familie der höchste Wert ist und man sagt, ich möchte den ganzen Tag zu Hause bleiben und ich möchte jeden Tag gemeinsam Mittagessen mit den Kindern und ich möchte meinem Mann das Essen hinstellen, wenn er am Abend nach Hause kommt, dann soll man das machen. Aber dann kann man auch dazu stehen und sagen, ich möchte nicht arbeiten und das ist völlig in Ordnung. Aber genauso ist es in Ordnung, wenn man sagt, ich möchte arbeiten, ich möchte sogar sehr viel arbeiten und ich möchte auch gleichzeitig Kinder haben. Und ich glaube auch, dass es für die Kinder nichts schlechtes ist, wenn sie sehen, dass die Eltern beide berufstätig sind und und man Wege findet, in der Zeit die man hat, für die Kinder da zu sein.
Ich glaube, wenn man dieses grundschlechte Gewissen nicht hat, ist man auch besser da für die Kinder und ist auch nicht so am Rand des Nervenzusammenbruchs. Also man läuft nicht so auf Kante. Ich glaube mit das Schlimmste ist, wenn man sich die ganze Zeit Vorwürfe dazu macht.
Ich glaube, wenn man mit sich selbst, damit im Reinen ist, dann gelingt das auch besser.

Und wegen den Ritualen, weil du gefragt hast… ich bin so ein Mensch, der nicht so für Rituale ist. Man kann sich ja damit auch verrückt machen. Insbesondere mein Mann. Heute so und morgen so. Er schiebt das auf mein astrologisches Grunddasein als Zwilling. Ich kann mich wirklich in jedem Moment sehr gut neu sortieren. Und ich glaube, das hilft in dem Fall sehr und auch in dieser wirklich volatilen Zeit, die wir jetzt gerade haben. Da muss man sich immer wieder neu sortieren können.

Anke Helle: Mir hat damals, kurz nach dem ich Mutter geworden bin, eine Freundin gesagt, du musst dir halt überlegen, ob du damit leben kannst eine Butter – Brezen – Mutter zu sein. Das ist jetzt bayrisch, aber was sie sagen wollte ist, dass, du wirst nicht die Mutter sein, die den selbst gebackenen Kuchen mitbringt, sondern du holst beim Bäcker eine Tüte mit Brezeln und Butter. Und du wirst die Mutter sein, die das auf diesem riesigen Buffet, wo alle ihre selbstgemachten Törtchen und was auch immer hinstellen, bist du diejenige, die noch peinlich berührt, die Brezentüte ganz hinten hinstellt.
Du bist die, die damit klarkommen muss, dass sie nicht auch noch die schön verzierte Torte macht. Daran muss ich bis heute oft denken, weil es ist tatsächlich so. Also ich kann auch nicht noch nebenher mich überall engagieren und mein Sohn kann um 14 Uhr nicht noch ins Kinderturnen gehen, weil da hab ich keine Zeit dafür. Ich kann ihn nicht um eins holen, da muss er bestimmt Abstriche machen, aber da muss ich vor allem damit klarkommen, dass das so ist.
Es gibt von der Amerikanerin Sheryl Sandberg eine Aussage, sie sagte, du kannst von fünf Sachen nur vier haben. Das sind Schlaf, Freizeit, Freunde, Job und Familie. Aber du kannst wirklich nur vier von diesen fünf haben. Du kannst nicht jeden Tag alles haben, sagt sie. Also du kannst vielleicht an einem Tag viel von deiner Familie haben und am nächsten Tag hast du dafür mehr Schlaf, so in der Richtung.
Und ich glaube, das ist total richtig. Ich glaube, das wir versuchen, zum Beispiel, sehr sehr stark unsere Wochenenden unserer Familie zu widmen. Das klappt nicht immer, aber wenn wir bei unserer Familie sind, dann sind wir auch wirklich da und dann machen wir auch was mit denen. Was tatsächlich oft hinten runter fällt, ist Zeit für uns selbst. Gleichzeitig hab ich irgendwann beschlossen, dass mein Job auch meine Zeit für mich ist. Ich liebe das was ich tue, genauso wie Mateja. Es gibt mir unendlich viel und ich glaub, man muss auch mal sagen, okay, vielleicht ist es jetzt gerade einfach die Zeit, in der für mich nicht so viel Zeit bleibt, sondern meine Selbstverwirklichung innerhalb dieses Jobrahmens passiert.

Mateja Mögel: Ich möchte noch eine Sache ergänzen, weil ich überlegt habe, warum man dazu stehen kann, was anders ist. Ich glaube, dass es eine große Gewohnheitssache ist. Also ich bin so groß geworden. Meine Eltern hatten ein Restaurant und haben wirklich sehr viel gearbeitet und ich bin aufgewacht morgens, alleine mit meinem Bruder und wir sind losgelaufen, ohne unsere Eltern zu sehen. Wir sind in die Schule gelaufen, wir haben kein Frühstück bekommen, auch keine Butterbrezel. Wir haben unsere Eltern erst am Nachmittag gesehen, als wir zu ihnen ins Restaurant gegangen sind zum Mittagessen. Und das ist ja so was von heute, wo so viele sagen würden: „Geht’s eigentlich noch? Wie kannst du dein Kind morgens los schicken bzw. alleine aufstehen lassen ohne gefrühstückt zu haben?“ Und ich hab nie im Leben gedacht, das mir da was fehlt.
Ich liebe meine Eltern, wir haben ein fantastisches Verhältnis, ich hab mich immer geliebt gefühlt und so was hängt nicht an der Butterbrezel oder an einem Frühstück morgens. Das hängt an ganz viel wichtigeren Dingen. Und sowas muss man sich regelmäßig bewusst machen, was ist eigentlich wirklich wichtig.
Und wenn man dann anderen Frauen Vorwürfe macht, weil sie ihren Kindern kein Frühstück machen, dann ist es vielleicht der falsche Wert, den man da vermittelt. Und das ist genau das, was wir eben immer sagen wollen, wir möchten Frauen unterstützen. Wir möchten keine Vorwürfe machen, dass irgend jemand sein Leben falsch bestreitet.
Jeder muss für sich wissen, wie er so Kleinigkeiten im Alltag hinkriegt. Und sich wirklich lieber auf wichtige Werte wie eine Freundlichkeit und einen liebevollen Umgang mit dem Mitmenschen konzentrieren.

 

Das Thema Vertrauen ist sehr wichtig

 

Daniela Kreissig: Ihr habt gesagt, ihr wollt selbst Frauen unterstützen und Frauen sollten sich auch gegenseitig unterstützen. Welche Erfahrungen habt ihr mit dem Thema Stutenbissigkeit gemacht und wie können sich konkret Frauen unterstützen?

Anke Helle: Also ich muss sagen, ich hatte da wahnsinnig Glück in meiner Karriere, das ich das Gegenteil fast immer erlebt habe. Ich habe immer Frauen gehabt, die mich unterstützt und gefördert haben. Ich glaube, wenn ich es erlebt habe, dann war das außerhalb des beruflichen Kontextes. Also eben, etwas was wir gerade hatten, waren Sprüche wie: „Ach du arbeitest soviel. Also ich könnte das ja nicht“ Und das man dann selbst denkt, ja ist ja ok, aber für mich ist das schon in Ordnung. Ich habe das, wie gesagt, eher außerhalb der Arbeit erlebt und wenn so Welten aufeinander prallen. Innerhalb der Arbeit war das wirklich bei mir, dass mich sowohl männliche, als auch weibliche Chefs eher oft sehr gefördert und mich vorangebracht haben. Wir haben jetzt das Glück, dass wir eine weibliche Geschäftsführerin haben, die da ist und unser komplettes Umfeldteam ist weiblich. Wir können das eigentlich nicht bestätigen, da es bei uns sehr gut funktioniert.

Mateja Mögel: Und zum Thema, wie man das hinbekommt, das keine Stutenbissigkeit aufkommt, ich glaube, das Thema Vertrauen ist hier sehr wichtig. Das ist das, was für uns ganz entscheidend ist. Ich glaube Misstrauen und Vorwürfe sind so ein ganz ungesundes Klima.
Und was wir wirklich machen – und es ist unfassbar wichtig es vorzuleben – ist Vertrauen zu schenken. Weil das wirklich unbezahlbar ist, im Sinne von Motivation. Also wir glauben sehr daran, dass man nicht mit der harten Hand oder mit Kontrolle oder solchen Dingen führen sollte, sondern wir glauben sehr daran, dass, wenn man ins Team Vertrauen gibt und den einzelnen Personen vertraut und ihnen das auch wirklich zeigt, dass man ihnen sehr viel zutraut und das sie eigenverantwortlich arbeiten dürfen, dass das eine grundpositive Stimmung schafft. Und das schafft auch eine unfassbare Dankbarkeit, dass man ihnen diesen Vertrauensvorschuss gibt ein Stück weit. Dann kommt wenig Stutenbissigkeiten auf, wenn sie das Gefühl haben, dass sie es nicht nötig haben dem anderen zu misstrauen und sich am anderen vorbei zu beißen.
Das ist tatsächlich ein bisschen so, das Prinzip „Erschlage sie mit Freundlichkeit“.
Natürlich muss man trotz allem, was Termine etc angeht ein Stück weit Kontrolle haben.

Aber prinzipiell schenken wir sehr viel Vertrauen und sagen, ihr dürft arbeiten wann ihr wollt, ihr dürft arbeiten, wo ihr wollt. Wir wissen genau, dass ihr alle viel zu tun habt. Und am Ende merkt man’s natürlich, ob einer seinen Job nicht gemacht hat, aber deshalb muss ich nicht hinter ihm stehen. Und das ist so ein Grundgefühl, was wir, glaube ich, sehr verändert haben in dieser Redaktion und wo wir wirklich zurück gespielt bekommen, dass sie da sehr dankbar sind.

Anke Helle: Ich glaube, die Grundhaltung ist bei der Frage, wie sich Frauen gegenseitig unterstützen können, das Wichtigste. Und was wir auch vorleben wollen, ist Kommunikation.
Wir müssen miteinander reden und wir müssen die anderen auch mal fragen, wie geht’s dir und kriegst du das gerade hin. Und ich hab das Gefühl, dir geht’s grad nicht so gut. Und man muss auch, noch viel wichtiger, um Hilfe bitten. Auch von sich aus mal sagen, ich krieg das heute nicht hin oder kannst du mein Kind abholen. Mir fällt das selber wahnsinnig schwer, aber ich hab’s in den letzten Monaten immer wieder machen müssen und hab gesagt ich schaff`s heute nicht, kannst du bitte meinen Sohn mit nach Hause nehmen. Und was ich immer erlebt habe, was für eine unglaublich positive Resonanz da kommt. Weil alle immer sagen „Natürlich klar, kein Problem.“ oder „Bei mir geht’s heute, soll ich nächste Woche nochmal?“
Und so ist es auch innerhalb des Verlags hier und auch innerhalb unserer Redaktion. Wenn man sagt, ich brauche bei dem Text noch Unterstützung, ich komm irgendwie nicht weiter, dann findet man die Hilfe.
Wenn aber jeder denkt, ich muss das alleine schaffen und vor allem wir Mütter, denken immer, dass wir alles alleine schaffen müssen, aber das kriegen wir nicht hin. Und gleich gar nicht in einem Jahr wie 2020. Wir müssen zusammenhalten und uns gegenseitig unterstützen. Und dafür müssen wir aber erst mal zulassen, dass wir uns auch mal schwach zeigen und dass wir um Hilfe bitten.

 

Stutenbissigkeit ist dort, wo Angst ist

 

Daniela Kreissig: Das ist auch meine Ansicht, dass Stutenbissigkeit nur dort ist, wo Angst ist. Angst, dass ich nicht gut genug bin, Angst, dass ich es nicht schaffe und die anderen besser sind. Auch eine Herausforderung für Frauen ist die berühmte gläserne Decke. Habt ihr Tipps für Frauen, die Karrierepläne haben, aber immer wieder an der gläsernen Decke scheitern?

Anke Helle: Wir sind in einer Branche in der das leichter ist. Die Medienbranche ist eine Branche, in der immer viele Frauen da waren. Ich glaube aber, dass es in anderen Branchen sehr viel schwerer ist.
Deswegen will ich das auch nicht absprechen, dass es das nicht gibt, aber ich hab es selbst nie erlebt. Ich hatte immer das Glück, dass irgendjemand auf mich zukam und mich fragte; „Willst du?“
Und Mateja und ich, wir sagen so oft, wir waren immer sehr interessiert und wir sind wahnsinnig neugierig. Und wir haben auch immer links und rechts geguckt und haben gesehen, dass der in der anderen Redaktion etwas anderes macht und dann haben wir den angerufen und ihn gefragt, was er da macht. Und dann haben wir unsere Ideen dazu gegeben. Oft auch umsonst oder eben weil wir neugierig waren. Und das habe ich gelernt, dass das immer hilfreich war. Also das du einfach immer Interesse zeigst an anderen. Und dann war es ganz oft so, dass zwei Jahre später der Mensch, mit dem ich damals ganz frei über irgendwas gesprochen habe, mich nun plötzlich angerufen hat und gesagt hat, dass er was für mich hätte und ob ich mir das nicht vorstellen könnte. Das ist, glaube ich, das wichtige, wenn dich etwas interessiert, dann sprich es aus und gehe hin. Zeige Interesse und gehe in Vorleistung, ohne zu wissen, was daraus wird. Ich glaube, dass ist ein ganz wichtiger Weg.

Mateja Mögel: Und ich glaube, was Frauen ein Stück weit besser machen könnten ist, von sich reden machen. Das können manchmal Männer wirklich besser, dass sie im Sinne von Eigenmarketing wirklich auch erzählen, was sie schon erreicht haben oder auch nur was sie können und was ihre Stärken sind. Das kann man schon hin und wieder an den richtigen Stellen platzieren, damit die betreffende Person dann auch wieder an einen denkt. Wir Frauen müssen und dürfen uns dort mehr zutrauen. Wir Frauen sind großartig. Jede einzelne hat ihre Stärken. Und an diese ein bisschen mehr glauben und ruhig öfters darüber reden.

 

Nutze deine Chancen!

 

Daniela Kreissig: Und ich würde ergänzen… nutze deine Chancen.
So hab ich das jetzt interpretiert für mich und aus dem was ihr gesagt habt. Ihr habt eure Chance genutzt. Ihr habt nicht erst 100 Jahre überlegt, kriege ich das hin, schaffe ich das, bin ich gut genug? Sondern ihr seid gesprungen.

Anke Helle: Ich hab jetzt auch neulich wieder zu unserer Volontärin gesagt, „Immer Ja sagen“. Egal wie viel Angst du hast. Immer ja sagen. Ich weiß noch, ich hatte mal ein Fernsehauftritt und ich hab immer ja gesagt. Und ich hab mich dann oft danach verflucht, und hab in Tränen aufgelöst hinter dieser Kulisse im Fernsehen gesessen und dachte, ich krieg das niemals hin. Und doch hat es mich immer weiter gebracht. Es gab nie ein einziges Mal, wo ich ja gesagt hab, wo es nicht gut war. Selbst wenn es schief gegangen ist, hat es mich weiter gebracht. Und das ist so wichtig. Immer ja sagen.

Mateja Mögel: Das ist ja die berühmte Fehlerkultur, die wir alle verstärkt leben sollten. Und das es auch ok ist, wenn du hinfällst und dann auch wieder aufstehst und die eine Schramme dein Leben prägt. Also, warum nicht mal einen Fehler machen? Das ist wieder das mit dem Grundinteresse, was wir vorhin hatten. Wenn man an Sachen Interesse hat und man macht es mal, hat man eine tolle neue Erfahrung. Und wenn du deinen Horizont möglichst breit haben möchtest, dann kannst du niemals Nein sagen.

Anke Helle: Eine Sache noch zum Ja sagen, weil du sollst nur bei den richtigen Sachen Ja sagen. Bei den Sachen, die dir Angst machen. Weil das Problem bei der gläsernen Decke oder auch generell ist, dass Frauen zu oft Ja sagen, zu Kleinscheiss. Also, das sie dann sagen, Ja das mach ich noch und das mach ich auch noch und dann haben sie gar nicht mehr die Luft und die Zeit für die wirklich großen Sachen. Deswegen Ja sagen, bei den Sachen, die einem Angst machen. Und nicht Ja sagen, bei Sachen wie, kannst du das und das noch mitmachen.

Mateja Mögel: Bzw. Ja sagen, bei Sachen, die dich einen Schritt nach vorne bringen.